Am 1. Januar 2024 tritt die Norm Euro 5+ für Motorräder in Kraft. Für Motorradfahrer ändert sich so gut wie nichts. Für die Hersteller war es jedoch eine echte Herausforderung, die neuen Regeln bei Geräuschmessung und Eigendiagnose des Fahrzeugs erfüllen zu können
Die Umsetzung von Euro 5+ geht Anfang nächsten Jahres quasi in einer Light-Version an den Start. Die Ursprungsidee der EU-Kommission, mit dieser Fortschreibung eine weitere Absenkung des Geräuschgrenzwerts für Motorräder in die Tat umzusetzen, ist erst einmal auf die lange Bank geschoben. Gleiches gilt für eine generelle ABS-Pflicht für 125er.
Der Grund: Die EU-Rahmenverordnung 168/2013 zur Typgenehmigung kann nicht von der EU-Kommission allein geändert werden, sondern bedarf der Zustimmung des Ministerrats und des EU-Parlaments. Und dessen Neuwahl steht im Sommer 2024 an. Bis sich das nächste EU-Parlament konstituiert hat und alle neuen Kommissare bestimmt sind, dürfte es eine Weile dauern. Wann es die nächste Änderung der Rahmenverordnung zur Typgenehmigung geben könnte, darüber werden sich die entsprechenden Gremien frühestens 2025 Gedanken machen. Christoph Gatzweiler vom Industrieverband Motorrad (IVM) sagt dazu: „Eine weitere Absenkung des Fahrgeräuschgrenzwertes gilt als höchstwahrscheinlich.“ Die Frage sei nur, wann und um wie viel.
Unabhängig davon greift mit Euro 5+ die für die Motorrad-Geräuschemissionen zuständige Norm der UNECE. Sie wurde im Frühjahr 2021 zur Version 41.05 aktualisiert und trat im September desselben Jahres in Kraft. Hört sich im Prinzip einfach an, ist es aber nicht. Beim reinen und relativ jungen Fahrgeräusch-Messverfahren mit Grenzwert 77 dB(A) für 80 Prozent aller Motorräder ändert sich gemäß UNECE-R 41.05 nichts. Allerdings werden die Stellschrauben bei den „zusätzlichen Vorschriften für die Ermittlung von Geräuschemission“ (ASEP) fester angezogen. Damit werden endlich realistischere Fahrbedingungen im Homologationsverfahren abgebildet.
Konsequenz: Maschinen mit Auspuffklappe werden diese künftig deutlich öfter schließen müssen, also leiser werden.
Denn die wichtigste Änderung ist: Die Messung darf nicht mehr allein bei Vollgas in bestimmten Gängen gefahren werden, es ist vielmehr quasi jede Gasgriffstellung in jedem Gang Teil der Prüfung. Dazu zählt beispielsweise, ob die Maschine im Schiebebetrieb knallt oder blubbert – so wie es verschiedene Modelle unterschiedlicher Marken zu tun pflegen. Der modellspezifische ASEP-Grenzwert muss zudem über alle Betriebszustände zwischen 10 und 100 km/h eingehalten werden. Weiterer Knackpunkt: Die ASEP-Konformität ist nun mit tatsächlichen Messungen bei technischen Dienstleistern zu belegen. Bislang reichte es, wenn der Fahrzeughersteller erklärte, dass die Anforderungen erfüllt würden. Der Nachweis hat allerdings seinen Preis: Der ASEP-Check bei technischen Dienstleistern erzeugt zusätzliche Homologationskosten für die Hersteller.
Der europäische Motorradherstellerverband hat maßgeblich an der Überarbeitung der Homologationsnorm mitgewirkt. Die Hersteller haben das, was die aktuelle UNECE-R 41.05 jetzt abverlangt, mit angeschoben. Wohl notgedrungen, gilt es doch, mithilfe des verschärften Prüfverfahrens künftig inakzeptable Geräuschpegel zu verhindern. Auch wenn sie in weite Ferne gerückt scheint, droht nach wie vor eine Absenkung des Fahrgeräusch-Grenzwerts. Der Grund: Die EU setzt zwar das technische Verfahren laut UNECE-R 41.05 in Kraft, kann aber die vorgeschriebenen Grenzwerte selbst festlegen.
Bislang werden die neuen ASEP-Regeln zur Geräuschmessung noch auf freiwilliger Basis angewendet, ab dem 30. September dieses Jahres sind sie Pflicht für neue Typgenehmigungen – gut drei Monate vor Euro 5+ für neue Fahrzeugtypen und ein Jahr vor der Pflicht für alle Modelle in der Angebotspalette der Hersteller.
Seit Anfang 2024 ist ebenfalls in neuen Motorradmodellen eine erweiterte On-Board-Diagnose (OBD) Pflicht – in Anlehnung an Euro 5+ kurz OBD 2+ genannt.
Für Modelle, die bereits auf dem Markt sind, steht die umfangreichere Eigendiagnose dann ein Jahr später, also 2025, an. Dies ist bereits die dritte OBD-Stufe, und von ihren Anforderungen her ist sie inzwischen auf Pkw-Niveau. Mit Euro 4 im Jahr 2017 hielt die erste elektrische Diagnose von emissionsrelevanten Aktoren, wie etwa Drosselklappe und Sensoren des Antriebs, Einzug in moderne Motorräder. Eine entsprechende Check-Liste hat der Gesetzgeber vorgegeben. Zudem sind die Hersteller verpflichtet, zusätzliche eigene Parameter zu überprüfen, sofern diese von ihnen als emissionsrelevant eingestuft werden.
Die nächste Stufe markiert mit Euro 5 die OBD 2. Neben dem Erkennen von elektrischen Defekten wie etwa Kurzschlüssen ist nun auch eine funktionale Diagnose gefordert. Das heißt: Ist das, was ein Sensor als Messwert liefert oder ein Aktor als Stellgröße einregelt, auch in einem plausiblen Bereich? Läuft der Motor beispielsweise schon eine Weile und der Temperatursensor meldet einen unrealistisch niedrigen Wert, kann das nicht stimmen – Indiz für einen Defekt am Temperaturfühler.
Es gibt allerdings Sensoren und Aktoren, die nicht so einfach einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden können. Dann kommt die sogenannte Funktionaldiagnose zum Einsatz. Dabei wird eine bestimmte Funktion im Steuergerät aktiviert und eine „Antwort“ des entsprechenden Sensors beobachtet, beispielsweise ob die Lambda-Sonde auf eine kurzfristige Erhöhung oder Absenkung der Einspritzmenge reagiert.
Und jetzt kommt OBD 2+. Die wichtigsten Neuerungen: Zwar zeigt wie gehabt ein Symbol im Display an, dass ein Werkstattbesuch fällig ist, sobald sich die Emissionen um ein bestimmtes Maß verschlechtert haben.
Ebenso spechert das System alle Daten und Eingriffe ( z.b ins Mapping) dauerhaft. Mogeln ist nicht mehr.
Doch die vom Gesetzgeber vorgegebene rote Linie wurde im Vergleich zur OBD-Vorstufe enger gezogen.
Gänzlich neu ist die Kat-Diagnose. Das heißt, ein defekter Katalysator muss erkannt werden. So können etwa Beschädigungen dazu führen, dass die vorgeschriebenen OBD-Grenzwerte überschritten werden. In diesem Fall muss die Warnleuchte ebenfalls Alarm schlagen.
Darüber hinaus sind die Hersteller im Zuge von Euro 5+ verpflichtet, einen Nachweis über die Dauerhaltbarkeit des Katalysators zu liefern. So ist etwa für Motorräder mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 140 km/h eine Lebensdauer von 35 000 Kilometern vorgeschrieben. Innerhalb dieser Laufleistung muss die Maschine die Euro-5-Emissionsgrenzwerte robust unterschreiten.
Diese sind jedoch deutlich niedriger als die OBD-Grenzwerte im Falle eines Kat-Defekts. Die Katalysator-Diagnose zielt somit auf eine unvorhergesehene Beschädigung des Bauteils ab. Der Dauerhaltbarkeits-Nachweis zielt dagegen auf die Grundauslegung der Abgasreinigung in ordnungsgemäßem Zustand und bei einer regulären Alterung ab. Allerdings altert der Abgasreiniger bei hubraumschwächeren Modellen bis etwa 500 cm³ aufgrund der höheren thermischen Belastung schneller als bei Maschinen mit mehr Hubraum.